Kritisch-psychologische Perspektiven auf Gewerkschaftsforschung und -praxis in postfordistischen Zeiten
Referenten: Marcel Thiel, Bradley Fix & Stephan Trautner
Abstract des Workshops
Die Emanzipation in der Arbeitswelt ist historisch untrennbar damit verbunden, dass Lohnabhängige sich kollektiv formierten und Gewerkschaftsorganisationen aufbauten. Denn Gewerkschaften können Werkzeuge sein, sich gegenüber gesellschaftlichen und betrieblichen Zumutungen zur Wehr zu setzen. Allerdings zeigen seit Jahrzehnten rückläufige Organisationsgrade in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt, dass dieser Zusammenhang von vielen Menschen so nicht (mehr) gesehen wird. Dies zu verstehen, ist Grund genug, die Kritische Psychologie – als einer emanzipatorischen Subjektwissenschaft – für die Gewerkschaftswelt fruchtbar zu machen. Bisher wird Gewerkschaftsforschung allerdings überwiegend im Bereich der Soziologie, Politikwissenschaft oder traditioneller Psychologie betrieben.
In dem Workshop widmen wir uns zunächst der Frage, was das Besondere einer kritisch-psychologischen Gewerkschaftsforschung ist und was gemeint ist, wenn es vonseiten der Kritischen Psychologie heißt, Gewerkschaften sollten als Handlungsplattformen begriffen werden. Anschließend wird Marcel Thiel aus seiner subjektwissenschaftlich inspirierten Forschung Schlaglichter präsentieren – etwa welche Spannungsfelder herausgearbeitet werden können, wenn man Organizing-Projekte nicht nur anhand des Zuwachses an Mitgliederzahlen bewertet, sondern aus der Perspektive von Gewerkschaftsaktiven betrachtet. Um der Frage nachzugehen, warum sich Menschen (nicht) in Gewerkschaften organisieren, wird ein idealtypisches Begründungsmuster präsentiert und anhand von Interviewausschnitten illustriert. Anschließend werden Bradley Fix und Stephan Trautner auf einige Aspekte ihrer kritisch-psychologischen Forschungsarbeiten eingehen. Bradley Fix hat sich in seiner Masterarbeit mit der Arbeitsweise und der Prekarität von Radkurier_innen auseinandergesetzt. Für Stephan Trautner stand in seiner Masterarbeit im Fokus, warum sich Aktivist_innen im Krankenhaus in Arbeitskämpfen beteiligen und welche Ziele sie dabei verfolgen.
Abschließend soll diskutiert werden, welche Schlussfolgerungen sich für die aktuelle Gewerkschaftspraxis ergeben, wenn man sich dieser kritisch-psychologisch informiert nähert.
https://www.economiasolidaria.org/carta-de-principios-de-la-economia-solidaria/
Seminarraum 334, Alice Salomon Hochschule
Bradley Fix,
Bradley Fix (M.Sc.) hat in seiner Masterarbeit zum Thema Handlungsfähigkeit von Radkurier*innen geforscht und arbeitet derzeit in Berlin im Kontext von psychisch erkrankten Menschen und Arbeit. Er ist auch Teil des Vorbereitungsteam der Ferienuniversität Kritische Psychologie.
Marcel Thiel,
Marcel Thiel, Jg. 1986, studierte an der Universität Trier Psychologie und Soziologie. Er ist Diplom-Psychologe und hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bei Prof. Dr. Klaus Dörre am Lehrstuhl für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie promoviert.
Er war Mitbegründer des autonomen Seminars Kritische Psychologie Trier (
https://kp-trier.de/). In den letzten Jahren hat er zu gewerkschaftlichen Erneuerungsansätzen wie Organizing und bedingungsgebundene Tarifarbeit geforscht.
Derzeit arbeitet er als Berater von Betriebsräten, Vertrauensleuten und Gewerkschaftsfunktionären am IMU-Institut Berlin (
https://www.imu-berlin.de/). Marcel’s Veröffentlichungen können hier eingesehen werden:
https://www.researchgate.net/profile/Marcel-Thiel; Email:
marcel.thiel@posteo.de
Stephan Trautner,
Stephan Trautner hat an der Universität Klagenfurt/Celovec Psychologie studiert. Er ist seit 2016 Teil des Vorbereitungsteams der Ferienuni Kritische Psychologie. Aktuell arbeitet er als Psychologe in einer therapeutischen Wohngruppe für Kinder und Jugendliche und hat vor kurzem die Ausbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie begonnen.